psycho&sophie in the osteopathic field with .....?_ leidfaden philosophie und psychologie für osteopathInnen |
Sunday, 16. March 2003
1. Kapitel: Geburt der Osteopathie aus der Philosophie
wiszorro
10:13h
1.0 Einführung 1.0 Einführung „Philosophie....ist keineswegs, obschon sie immer wieder so dargestellt wird, nur eine sich meditierend über die Wirklichkeit erhebende Heilslehre, sondern konstituiert sich von ihren Anfängen an als Technologie: will mit ihrem abstrakt Allgemeinen auf eine über die Realität manipulativ verfügende Herrschaft hinaus, die sich alle spezifischen technai unterwirft und mächtig ist gerade dadurch, dass sie sich auf sie als konkrete nicht einläßt." (Klaus Heinrich, Dahlemer Vorlesungen Bd 7, S. 118) Wer heute OsteopathInnen über Osteopathie sprechen hört könnte den Eindruck bekommen wir haben es mit der letzten Bastion angewandter Philosophie in der Medizin zu tun. Die besondere Gültigkeit der Osteopathie ergibt sich, so der Konsens, aus ihrem philosophischen Ansatz; umgekehrt haben sich manche gar zu der Behauptung verstiegen, daß Mangels einer Philosophie die moderne Medizin nicht vollständig sein kann. Meine Überlegungen werden sich für solche Fragen nur am Rande interesieren. Es gibt kompetente Äußerungen und kontroverse Diskussionen dazu en masse. Darauf hinzuweisen muss genügen. Das Ziel der Texte ist den Spieß umzudrehen und die Frage zu stellen: woher diese Passion für Philosophie und Psychologie in den osteopathischen Seminaren? Warum diese Obsession immer über etwas zu sprechen das jenseits der eigenen handwerklichen Fähigkeiten liegt. Haben wir es mit einer Horde von Zwangsumgeschulten aus den philosophischen Seminaren zu tun, oder erweckt die Osteopathie erst das philosophisch-psychologische Interesse? Der angschlagene Ton der Philosophie-Fraktion unterstellt dass es `eine´ Philosopie gibt. Schnell schwingt dann auch ein universeller (Erlösungs-) Anspruch und eine Tiefendimension mit. Osteopathie ist geboren aus einer philosophischen Haltung oder einem philosophischen Lebensstil. Oder wäre gern geboren aus.... Woher diese Wunsch kommt bleibt vorerst rätselhaft. Auch dass Philosophie mit edler Abstammung gleichgesetzt wird ist wenig verständlich. So absurd die Unterstellung ist, moderne Medizin hätte keine philosophische Grundlage, sie macht nur Sinn wenn schon entschieden ist was Philosophie ist, - und daß sie gut sei und ein Grundlage liefern soll für therapeutisches Handeln. Das ist eine Reduktion der philosphischen Tradition auf Rechtfertigungslehre (Dogmatik). Dass Reflexion und Kritik nicht gleichermaßen bemüht werden, genügt die Enge dieser Annahme zu demonstrieren. Mangels einsichtiger Gründe für die osteopathsiche Obsession und aufgrund der im weiteren dargestellten Analysen spreche ich tentativ pathologiserend vom `psychosophischen Elementarismus´ als einer Krankheit, - einer Passion, die für die Osteopathie fatal enden kann. 1.1 Osteopathie als philosophische Lebenshaltung Dass Philosophie nicht nur eine praktizierte Disziplin sondern auch eine Lebenshaltung sei, ist an sich nichts ungewöhnliches. Schon die Stoiker waren Leute die den Mut hatten sich mit den Drohungen und Freuden des Lebens zu beschäftigten, ohne bei religiös-kultischen Institutionen Zuflucht zu nehmen. Für sie war Philosophie als Tätigkeit die Antwort auf die Unabwägbarkeiten der Existenz. Ihr Held, Sokrates, war aber durch außerphilosphische Praxis erleuchtet, da er in die eleusische Mysterien eingeweiht war. Ihm war eine außer-philosophische Quelle der Wirklichkeitserfahrung zugänglich, wie allen athener BürgerInnen. Dieser Sokrates wäre gerne aus der Philosophie geboren worden, jedenfalls hat er versucht den Anteil der Mutter an der Zeugung als vernachlässigbar zu deuten und die männliche Selbstschöpfung aus dem Samen als die ideale Situation hinzustellen. Diesen Sokrates, in der Darstellung durch Platon, müsste wir studieren um zu verstehen, warum es so erstrebenswert wäre aus der Philosophie geboren zu werden. Wollen sich OsteopathInnen als die neuen Stoiker generieren, einen neuen Kult der stoisch-medizinischen Philosophie gründen? Soweit geht der Anspruch wahrscheinlich nicht; aber das Bedürfnis eine solche philosophische Kultgemeinde als feste Basis hinter sich zu wissen ist groß. Dass, wenn es konkret wird, meist auf östlich-meditative Weisheit referiert wird, widerspricht dem nicht. Außer dass die platonische Erlösungslehre vergleichbare Charakterzüge aufweist, läuft der Zugang zu einem philosophischen Lebenstil und damit zur Selbstgeburt/erzeugung aus der Philosphie heute für die meisten durch die östliche Philosophie, oder sagen wir besser über die Faszination für östliche Philosophe, hindurch. Die dazugehörigen Kulte und religösen Praktiken werden gerne ausgeblendet. eine rationalistische und lebensweisheitliche Lesart dieser Traditionen wird bevorzugt: So freundlich und witzig der Dalai Lama sein kann, - wenn er anderterseits seinem grummelnde Orakelsprecher folgt und daraufhin einen konkurierenden Unter-Kult verbietet, dann stößt dies seiner westlichen Gemeinde als heidnisch auf. Als könnte mensch das eine ohne das andere haben. Philosophie wird gern gesehen als die saubere, gut rationalisierte und von aller kultischen Gewalt befreite Version spiritueller Lebensweisheit: antiseptisch, ambivalenzfrei und konfliktarm. Zum Glück ist sie das nicht immer, und je mehr wir uns damit beschäftigen je weniger lassen sich die Kanten und Widersprüche glätten. Philosophie als Lebenshaltung ist keineswegs eine Antwort; die Fragen fangen damit erst an.
1.2. Historische Geburt und Wiedergeburt So erzählt Still in der berühmten Geschichte aus seiner Jugend (Auto, S. 32) vom heilenden Schlaf in der Schlinge als einem Gründungserlebnis: first lesson in osteopathy. Diese erste Lektion wurde zwanzig Jahre später durch den Einbruch, den Keil des Verstandes (wedge of reason) als osteopathisches Prinzip forrmuliert: Harmony to the flow of blood. Wiederum eine recht säkulare Erzählung einer Entdeckung: der Zufall der am Anfang Pate stand, dass er mit Kopf- und Magenschmerz eine bequeme Position finden wollte, und die ausgespannte Leine den Kopf trug, er in den Schlaf sank; hier wäre die Möglichkeit gewesen ein Traumerlebnis einzufügen - hat er nicht getan. Dann die gelungenen Wiederholungen der Therapie und die Einsicht befördert durch einen befreundeten Arzt Jahre später. Sowenig wie es den enthüllenden Traum gab, gab es die Offenbarung der osteopathischen Prinzipien. Es waren lange Jahre der Arbeit bis sich der göttliche Plan der Lebensmaschine offenbaren konnte. Was uns davon überliefert wird ist vom glücklichen Ende her gesehen; die tiefen Zweifel und Depressionen in dieser Zeit sind nur zu vermuten. Der Tod vieler geliebter Menschen läßt etwas ahnen davon. Daß Religion und Philosophie für Still das selbe waren, ist leicht zu erkennen, und spricht einmal mehr für den radikalen Christen. Ich habe nichts in seinen Schriften gefunden das darauf hinweist daß ihn die zeitgenössische Philosophie tiefer berührt und interesiert hätte. Sein Buch `The Philosophy and Mechanical Principles of Osteopathy´ enthält nur rudimentär philosophische zu nennende Diskussion. Was es enthält ist eine ver-weltlichte Trinitätslehre in der die Dreieinigkeit des Menschen im Vergleich zur zeitgenössischen theologische Reflexion, kaum ausgeführt wird: „man ist triune... a material..a spiritual ..and a being of mind ( PMO, S16). Das spirituelle Wesen (spiritual being) bleibt in der Dreieinigkeit unausgeführt. Das liegt auch daran, daß in dem eigentlich `philosophischen´ Kapitel des Buches unter der Überschrift `Biogen´ eine dualistische Version der Fleischwerdung des Geistes entworfen wird, womit sowieso eine Dimension der Dreieinigkeit verloren gegangen ist: „ all material bodies have life terrrestrial and all space has life, ethereal or spiritual life. The two, when united, form man. Life terrestrial has motion and power; the celestial bodies have knowledge or wisdom. Biogen is the lives of the two in united action" (PMO, S251). Der poetische Rhythmus dieser Ausführung mag unwiderstehlich sein, die Basis seiner Konstruktionen ist eine dualistische Theologie: Wer zu Beginn des 21. Jahrhunderts solch einem Dualismus in die Arme läuft muß gute Gründe haben, - oder einer weiterhin lebendigen christlichen Tradition (un)reflektiert folgen. Lassen wir mal zweiteres als unwahrscheinlich bei Seite, so bleibt der irritierend Befund daß die Schriften Stills eine Renaissance erleben, die schwer zu verstehen ist. Obwohl hier nicht allzu oft soziologisch argumentiert werden soll, ist kaum zu übersehen, daß die Rückbesinnung auf die Schriften von Still und die unverständige Wertschätzung von Philosophie simultane Erscheinungen sind. Das mag für eine im Entstehen begriffene osteopathische Gemeinschaft (wie in der BRD) naheliegend sein: Die Gründung der Osteopathie in Deutschland war ja ein typischer Akt der imperialistischen Auslagerung von Konflikten. Was in Belgien und Frankreich ausgereizt war, das konnte in der Logik der belgisch-französischen Akteure auf ausländischem Boden neu begonnen werden. Als späte Rache für die Zerstörung Europas durch das faschistische Deutschland, und die Verweigerung irgend etwas nicht völkisch-versautes annehmen zu wollen, kam die Osteopathie nicht nur 50 Jahre später in die BRD, sondern sie kam als auch Mogelpackung mit begisch-französischen Marotten. Kein Wunder, daß sich jene, die nicht von den importierten Konflikten und ihren Akteuren sich die Wiedergeburtserlebnisse der Osteopathie vermiesen lassen wollten, auf ältere unversaute Heroen zurückgriffen. So ist es (soziologisch) verständlich, daß der Gründer Still und mit ihm andere US-Osteopathen eine erstaunliche Wiederbelebung erfuhren. Sie stehen für das ursprünglichere, nicht zerstrittene in der Tradition; ihnen Gefolgschaft zu schwören ist weniger bitter, für manche gar lustvoll. 1.3 Ursprung und Autorität Wie soll mensch dem beikommen, dem großen Bruch zwischen anti-autoritärer Gründung und schutzsuchender Rückbesinnung? Um nicht in ein psychologisch oder soziologisch motiviertes Verständniss zu verfallen, habe ich als Kontrapunkt und Anstachelung zur Konfrontation eingeführt was Still noch nahe lag, und schon fern: zwei der 10 Gebote des Thanak. Mit W. Benjamin könnten wir von einer Aura sprechen, die sie für Still noch hatten. Diese Aura ist uns fremd, daher als Folie zur Konfrontatiion geeignet: die 10 Gebote, die der Gott der Israeliten Moses offenbarte. Sie stellen eine Art schriftlicher Verfassung einer sich gründenden Gesellschaft dar. Sie reglen die größten Konfliktlinien innerhalb einer patriarchalen Stammesgesellschaft und das Verhältnis derselben zu ihrem göttlichen Grund. Sollten wir nicht in unserer ethischen Intelligenz weit darüber hinaus sein?; sollten wir mit unseren Fähigkeiten kritsiche Differenz auszuhalten weiter entickelt sein? - deswegen lohnt die Konfrontation. Die Gebote werden am Ende eines langen Weges, der mit dem Aufbruch aus der Sklaverei begann, offenbart. Das Ziel des Aufbruchs war Freiheit, und für eine agrarische Kultur wichtig, Land. Das 1. und 5. Gebot drücken die Grundbindungen der Gesellschaft in Gründung aus: Die Regeln der Solidarität sind festgelegt: Wer uns befreit hat, dem müssen wir verbunden bleiben; daneben gelten keine Götter. Jene, die eine Bestandsgarantie für unsere Grundstruktur bieten, müssen wir ehren. Aus dem wir kommen, unsere Herkunft und zugleich die Basis unserer Freiheit, - der führende und mutmachende Gott, und jene aus denen wir entstehen, die zeugenden und ernährenden Eltern - diese Mächte sollen unwidersprochen unsere Gegenwart bestimmen. So war die Achtung des Ursprung immer auch ganz materiell gedacht, ein nährender Fluss dem wir verbunden bleiben müssen unter der Drohung unsere Existenz nicht zu gefährden. Hier hört aber das soziologische Verständniss auf. Alle große Philosophie ist Kritik der Ursprungsbindung. Sie läßt sich nicht einreden, daß der Rekurs auf Gründungsväter und - mütter schon ein Argument in einer offenen Diskussion darstellt. Freiheit und Offeneit sind ebenso wie Gerechtigkeit und Autonomie Begriffe die nur in einer Welt Sinn machen, die nicht absolut an ihr Gründungserlebnis gefesselt bleibt. Autorität rechtfertig sich nicht aus der Nähe zum Ursprung oder zur Gründergestalt. Das mag für die historische Folklore der Osteopathie derzeit schwer zu akzeptieren sein, ist aber die anti-autoritäre Basis jeder wissenschaftlichen Kreativität. Dass das Bedürfniss nach kreativer Auseinandersetzung geringer ist als das Bedürfniss nach Autorität, ist der beklagenswerter Umstand der (deutschen) Sozialisation: das `wage deinen eigenen Verstand zu gebrauchen´, den Slogan den Kant noch für die Aufklärung vorgab, dieser Mut ist im osteopathischen Feld rar gesät. In der Verbeugung vor den Großen des Faches wird der nötige Respekt vor ihrer Arbeit ausgedrückt, - es spricht nichts dagegen den osteopathischen Tag mit einer Ehrbezeugung vor dem Pantheon der Osteopathie zu beginnen: Hl. Still&Sutherland&Wales&Frymann&Becker schütze uns vor falschen Diagnosen, oder ähnlich. Vielleicht sollten die noch lebenden aus der Kultifizierung ausgenommen werden. Wer aber die nicht-esoterische Öffentlichkeit außerhalb der Gemeinde versucht zu beeindrucken, wird mit solchen Bezeugungen zwar Eindruck machen, - das ist dann auch der Eindruck der entsteht - aber Argumente sind das deswegen noch nicht. 1.4 Aktualisierter Ursprung, Wiederholungszwang und Entwicklung Aktualisierung der Ursprünge ist eine ebenso zwiespältige Sache wie die Ursprünge selbst zwiespältig sind. Ob wir es bei der osteopathischen Obsession des psychosophischen Elementarismus mit einer zwanghaften Rückkehr zu unseren Ursprüngen zu tun haben, oder mit der Bearbeitung von Konflikten, - das wär ein Frage.
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